Dekanat Wetterau

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          Kunstaktion

          Was hat Weihnachten mit Flucht und Fremde zu tun?

          Hortien

          Alte Koffer und ausrangierte Taschen, Paletten, Akkuschrauber, Sägen und jede Menge andere Werkzeuge erregten am Samstagnachmittag die Aufmerksamkeit vieler Passanten auf dem Friedberger Stadtkirchenplatz. Wer stehen blieb erfuhr: Hier findet gerade ein Kunst-Workshop zum Thema Flucht und Fremde statt.

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          Hortien

          Die Idee dazu hatte Pfarrer Dr. Peter Noss, zuständig für Ökumene und Dialog im Evangelischen Dekanat Wetterau. Mit Unterstützung des Stuttgarter Künstlers Thomas Putze baute ein halbes Dutzend Workshop-Teilnehmende Figuren aus Gepäckstücken – Symbole für das Thema Flucht und Migration.

          Weihnachtsgeschichte handelt auch von Flucht und Fremde

          Den Termin am 3. Adventswochenende hatte Noss bewusst für die Aktion gewählt, „denn auch in der Weihnachtsgeschichte spielt Flucht eine Rolle: Josef und die schwangere Maria sind gezwungen, nach Bethlehem zu reisen. In ihrer Not finden sie Unterschlupf in einem Stall. Dort bringt Maria ihren Sohn Jesus zur Welt, nur um kurz darauf erneut aufzubrechen, nach Ägypten, in ein fremdes Land, politisch verfolgt.“

          Kunstaktion Friedberg: Tiere aus Gepäckstücken

          Unter Anleitung des Künstlers Putze entstanden ein Ochse und ein Schaf, sowie Josef und Maria. Es wurde gesägt, geschraubt und gehämmert. Hasan Ghaceni, der selbst erst vor fünf Jahren als Geflüchteter aus dem Iran nach Friedberg kam, legte das aus einem silbernen Koffer bestehende Jesuskind in die Krippe, die er aus einem alten Kinderwagen gebaut hatte.

          Mehmet Turan: Willkommenskultur aufbauen

          Mehmet Turan, der als Kind aus der Türkei nach Deutschland gekommen war, schnitt aus einem alten Koffer den Weihnachtsstern aus, während er von seinem Engagement im internationalen Zentrum und dem Ausländerbeirat Friedberg berichtete. „Wir sehen uns durch die geplante Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Friedberg besonders gefordert“, erzählte er. Bereits 2015 habe man Brücken gebaut und Integrationslotsen ausgebildet. Ihm ist es besonders wichtig, Transparenz zu schaffen und eine Willkommenskultur aufzubauen, damit „erst gar keine Vorurteile entstehen“. Doch die Corona-Pandemie erschwere das. „Wir können aktuell keine 400 Leute zu einer Bürgerversammlung einladen.“

          Flüchtlingshilfe: Zahl der Ehrenamtlichen zurückgegangen

          Dem stimmte Wolfgang Dittrich, Referent für Gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat und Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe im Wetteraukreis, zu: „Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen, die zu uns kommen, anständig behandelt und versorgt werden.“ Die Zahl der Ehrenamtlichen in diesem Bereich sei seit 2015 aus verschiedenen Gründen deutlich zurückgegangen. Einen Grund sieht Dittrich darin, dass die Wertschätzung für das Engagement gefehlt hat und viele in Politik und Gesellschaft von dem „Wir schaffen das“ abgerückt sind.

          Kunstaktion Friedberg: Predigt mit Koffer

          Einen Abschluss fand die Aktion mit einem besonderen Gottesdienst am Sonntagmorgen in der Stadtkirche. Dort war die Krippe aus Gepäckstücken ausgestellt. Pfarrer Noss trug bei seiner Predigt einen Koffer über seinem Talar und Künstler Thomas Putze zog bei einer Live-Performance nur mit Koffern bekleidet durch die Kirche. In berührenden Wortbeiträgen berichteten Gottesdienstteilnehmende von ihren Erfahrungen mit den Themen Migration und Flucht. So erzählte Wolfgang Dittrich von seiner eigenen Familiengeschichte, wie seine Eltern und Großeltern als Vertriebene nach dem zweiten Weltkrieg in die Wetterau gekommen waren. „Das war die Zeit, als die Deutschen zu den Deutschen gekommen sind und nicht überall gut behandelt wurden. Damals haben wir über 14 Millionen Menschen aufgenommen, da ist die heutige Zahl an Geflüchteten, um die wir uns zu kümmern haben, geradezu verschwindend.“

          Noss: "Gott ist bei mir im Abschied"

          Für seine Predigt hatte sich Pfarrer Noss den Text zur Flucht von Maria, Josef und dem Kind nach Ägypten ausgesucht, aus Matthäus 2. „Wie Maria und Josef damals mit ihrem Kind unterwegs waren, ungeschützt, ausgeliefert und heimatlos, nur mit dem Nötigsten in ihren Bündeln und Koffern, so sind auch heute Menschen unterwegs, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen.“ Sie könnten die Weihnachtsgeschichte nicht anders verstehen als: „Gott ist trotz allem mit mir, er ist bei mir im Abschied von meiner Heimat, von meiner Familie. Er ist bei mir im Leid, in der Unsicherheit, er ist bei mir in der Fremde.“ Auf der anderen Seite müsse sich jeder einzelne von uns fragen: „Wie offen sind meine eigenen Grenzen?“

          Noss: Aus Weihnachtsgeschichte ergibt sich besondere Verantwortung

          Noss betonte die Wichtigkeit, Menschen mit ihren Koffern und Taschen aufzunehmen. „Wir in Deutschland können das, Verantwortung für andere übernehmen uns solidarisch zeigen“, sagte er. „Aus der Weihnachtsgeschichte ergibt sich die besondere Verantwortung, gegenüber dem Nächsten, der manchmal als Fremder zu mir kommt, und bleiben will. Und wenn ab Februar in der ehemaligen Kaserne Menschen mit Koffern ankommen und wohnen und vielleicht auch leiden, dann können wir uns an die Weihnachtsgeschichte erinnern, die uns erzählt wird und die uns alle angeht.“

          Die Krippe aus Gepäckstücken ist noch einige Tage in der Friedberger Stadtkirche ausgestellt. Ein Film zur Aktion ist demnächst hier abrufbar.

          Alle Fotos: Hortien

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