Dekanat Wetterau

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          Singen mit Verbindung nach oben

          FRIEDBERG: „Das war klasse!“ Der Massenheimer Klaus Splittdorf sprach für viele, die mit einem Strahlen im Gesicht am Sonntag aus der Friedberger Stadthalle strömten. Das Wetterauer Gospelfestival war mit einem fulminanten Abschlusskonzert zu Ende gegangen, statt der geplanten eineinhalb Stunden waren es zweieinhalb geworden und keinem war das so richtig aufgefallen. Auch wusste man zuweilen nicht mehr genau, wer im Konzert Darsteller und wer Publikum war - die vier internationalen Gospelcoaches bezogen alle und jeden mit ein. Es wurde wenig gesessen, dafür viel gesungen und getanzt – auch Landrat Joachim Arnold, Propst Matthias Schmidt, Präses Tobias Utter und Dekan Volkhard Guth machten da keine Ausnahme. Rund 350 Sänger und Sängerinnen hatten sich angemeldet, für den richtigen Sound sorgten Lothar Kosse (Gitarre), Peter Schönbauer (Bass) und Burkhard Mayer-Andersson an den Drums.

          Gastgeber der Veranstaltung war das Evangelische Dekanat Wetterau, doch die Gäste waren aus ganz Deutschland gekommen.  Namen wie Calvin Bridges, Joakim Arenius, Miriam Schäfer und Hanjo Gäbler kennt man in der Gospelszene. Ein Dekanatsteam um die Kirchenmusiker Thorsten Mebus (Bad Vilbel), Uli Seeger (Friedberg) und Pfarrer Gerrit Boomgaarden (Rosbach) hatte das Programm zusammengestellt und das Quartett erwies sich als Glücksgriff in der Mischung der Temperamente. Bridges aus Chicago brachte nicht nur das Original-Gospelfeeling mit, er war an diesem Wochenende auch glühender Prediger, hingebungsvoller Solosänger und humorvoller Entertainer. Sang ihm der Chor nicht knackig genug, karikierte der Sonnyboy die Sänger schon mal mit der Stimme eines weinerlichen kleinen Mädchens. Mit Joakim Arenius aus Schweden kam ein erfahrener Chorleiter hinzu, der schon den ältesten Gospelchor Europas dirigiert hat. Im Handumdrehn kann er das Publikum in begeisterte Mitsängern verwandeln. „Legt eure Notenblätter doch mal auf den Boden“. Erfahrene Chorsänger folgen da nur widerwillig. „Das sind die Deutschen, die sich immer an den Notenfesthalten wollen“ wirft Hanjo Gäbler vom Piano ein. Keine gute Idee, denn schon Bridges sang beim ersten Stück manchmal ganz anderes, als das was im Gedruckten stand.

          Martina Isleib ist Mitglied im Espaer Kirchenchor und fühlte sich anfangs, wie ins tiefe Wasser geworfen: „Ich mach hier grad mein Seepferdchen“, lachte sie. Pfarrerin Birgit Müller glaubte zwar, schon den „Freischwimmer“ zu haben, fragte sich aber am Ende des ersten Tages auch, ob sie am Sonntag alles können würde. Doch irgendwann am zweiten Tag stellte sich Entspannung ein. Es trägt, die Töne kommen, und passen auf die Worte. Rhythmisches Klatschen hilft, und dass die unerfahrenen Sänger neben den erfahrenen stehen, hilft auch. „Toll, dass man 300 Leute zu einer singbaren Masse kriegt“, staunte Müller.

           Wie alle Coaches hat auch Joakim Arenius eigene Kompositionen mitgebracht. „Release it“ erzählt von den Wunden der Vergangenheit und geht unter die Haut. „Lass deine Vergangenheit gehen, lass los“ heißt es im englischen Refrain, rhythmisch, fetzig – und doch eher ein Stück der leiseren Töne. Ganz anders klangs bei Miriam Schäfer. Sie leitete den Soulteens-Workshop der Jugendlichen - sozusagen das kleine Festival in der Blindenschule neben dem großen in der Stadthalle. Doch an Stimmgewalt und didaktischem Talent war sie der heimliche Star des Festivals. Ganz ohne Noten, die Songtexte per Beamer an die Wand geworfen, erarbeitete sie in kürzester Zeit mit den Jugendlichen eine beeindruckende Performance. Franziska (16) singt schon länger bei Uli Seeger im Jugendchor der Friedberger Gemeinde. Singen ohne Noten findet sie eine tolle Erfahrung: „Man hört besser hin“. Marcel (18) aus Petterweil hat überhaupt keine Chorerfahrung und deshalb zur Verstärkung gleich Niklas (13) „mitgeschleift“. „Miriam macht es den Einsteigern ganz leicht.“. Klar, dass die jüngste der Coaches auch die rockigste Musik in Gepäck hatte. Und bei „Walking in Faith“ zeigte ihre Soulstimme alles, was sie kann.

          Die Musik von Hanjo Gäbler kommt vergleichsweise leichtfüßig daher. Gäbler ist zwar bekennender Norddeutscher, doch mit „Come back tot he Rock“ brachte er keineswegs Rock, sondern eher „‘n büschen Karibik“ nach Friedberg. Ganz zart erinnerte das Stück die älteren Semester an „Schuld war nur der Bossa Nova“. Als Pianist, der virtuos auch die Kollegen begleitete war Gäbler nicht nur hervorragender Musiker und Coach sondern auch so etwas wie der gute Geist des Festivals. Humorvoll, bescheiden und ganz authentisch – so wie am Abend der Gospelparty, wo alle Künstler mit einer Soloperformance auf die Bühne traten. Da machte Gäbler am Klavier eine Pause und sagte: „Leute, das ist hier kein Event. Wir glauben das wirklich.“

          Dass „Gospel“ übersetzt „gute Botschaft“ heißt, und dass das nicht irgendeine Botschaft ist, sondern die gute Nachricht von „einem Gott, der an unserem Alltag interessiert ist“, zog sich wie ein roter Faden durch die drei Tage. Propst Schmidt erzählte statt einer Predigt beim Abschlusskonzert, wie Dietrich Bonhoeffer 1331 bei einem Amerikaaufenthalt die Gospelmusik entdeckte. Sie wurde prägend für seine Wandlung vom brillianten Theologen zu einem weltzugewandten Kämpfer für soziale Gerechtigkeit – ein Weg, der ihn unter den Nazis in den Widerstand und schließlich ins KZ führte. Glauben und Handeln gehörten zusammen. Und wer beim Gospel die Musik vom Inhalt trennen will, hat das Wichtigste nicht verstanden. Calvin Bridges formulierte es in seinem Workshop für die Solosänger so: „Wenn du wirklich gut singen willst, dann brauchst du nicht nur einen guten Stand auf dem Boden, sondern auch die Verbindung nach oben“.

           

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