In den Kleidern hängen die Geschichten

Das Puppenbett hat mein Vater für mich gebaut. Das sind Lilli, Peter und das kleine Bärbelchen. Meine Mutter war Buchhalterin im Spielwarengeschäft „Bernhard“ in Bad Nauheim. Sie hat mir die Schildkröt-Puppen geschenkt. Diesen Anzug hat meine Großcousine gestrickt. Ihre Mutter hat von einer Bombennacht in Gießen erzählt. Daran muss ich denken. Gießen wurde schwer zerbombt. In einer Nacht stand ein Mann mit grauen Mantel in der Tür und sagte der Mutter: Geh mit allen deinen Kindern auf den Friedhof. Die Mutter hat es getan. Wenig später fiel das Haus den Bomben zum Opfer und wurde völlig zerstört. Sie und die Kinder waren gerettet. Lange hat sie nach diesem Mann gesucht. Wer war das? Ein Engel? In den Kleidern hängen die Geschichten von damals.

Am heiligen Abend saßen die Puppen unter dem Weihnachtsbaum mit neuen Kleidern. Oma und Opa waren ja auch Schneidermeister wie ich später, die haben die Kleider genäht. Warum die Puppen so gut erhalten sind? Am 6. Januar wurde der Baumschmuck verpackt und die Puppen wanderten auf den Speicher. „Das Christkind hat sie mitgenommen und bringt sie zum nächsten Weihnachtsfest wieder.“ Gespielt haben wir das ganze Jahr nicht. Wir mussten die Gänschen hüten und Futter  für die Tiere holen.                                  

(aus Gambach)

Hier sehen Sie das Roll-Up aus der Ausstellung