Seit dem Überfall der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 herrscht ein neuer Krieg im Nahen Osten. Hiam Abu Dayeh ist Christin und lebt in Beit Jala, einer Stadt in den Palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland, zwei Kilometer westlich von Bethlehem. Sie ist in der Region geboren und aufgewachsen. Nun erlebt sie ihr Land unter massivem Druck. Von der Situation in Bethlehem und der Westbank berichtete sie in einem sehr persönlichen Vortrag mit anschließendem Gespräch auf Einladung des Evangelischen Dekanats Wetterau in Friedberg.
Wie Hiam Abu Dayeh betont, sei sie in keinem politischen Auftrag unterwegs, sondern es sei ihr persönlich wichtig, von der Situation der Menschen vor Ort zu berichten. Sie ist ausgebildete Reiseführerin und hat schon viele Gruppen aus Deutschland durch ihre Heimatregion begleitet. Im Schatten des Überfalls der Hamas auf Israel und des folgenden Gaza-Kriegs hat sich die Lage zugespitzt - keine Reisegruppen mehr, stattdessen zunehmende Angst und Unterdrückung.
Sie spricht gut Deutsch, weil sie sich schon immer für die Sprache interessiert und auch in der Schule Deutsch gelernt habe. Inzwischen lebt auch Verwandtschaft in Deutschland.
Pfarrer Siegfried Nickel, Referent für Ökumene und Dialog im Dekanat, moderierte den Abend und führte zu Beginn mit einigen Worten zur Geschichte Israels und Palästinas in das Thema ein. „Es wird in diesem Konflikt schnell verallgemeinert, aber die Situation ist vielschichtig“, betonte Nickel.
Hiam Abu Dayeh erzählte von ihrer Angst und den vielen Hürden im täglichen Leben, von Momenten der Resignation und ihrem Glauben als Quelle der Hoffnung und für das Weitermachen.
„Wir sind müde von den vielen Kriegen in unserem Land“, sagte sie. In das Osloer Friedensabkommen 1993 habe man viel Hoffnung gesetzt, doch die habe sich nicht erfüllt.
Die Einteilung in die Zonen A, B und C spalte die Menschen. Kinder könnten mitunter nicht mehr zur Schule, Menschen müssten auf dem Weg zur Arbeit oder um die Familie zu besuchen verschiedene Checkpoints passieren und viele Umwege in Kauf nehmen. Innerhalb von Beit Jala, das knapp 12.000 Einwohner hat, gebe es allein 4 Checkpoints. Hinzu komme die 759 Kilometer lange Mauer quer durchs Land.
Hiam Abu Dayeh berichtet von Übergriffen radikaler israelischer Siedler, von gewalttätigen Angriffen auf die Ernte der Palästinenserinnen und Palästinensern und vom aggressiven Verhalten israelischer Soldaten. Es gebe aber auch Israeliten, die nicht mit den Entscheidungen ihrer Regierung einverstanden sind. „Sie schämen sich.“
Sie trauere um die in Gaza getöteten Menschen – egal welcher Nationalität, betonte sie. „Wir sind alle Menschen.“ Und Menschen bezahlten den Preis in diesem Krieg. „Ich kann mir die Nachrichten kaum anschauen.“ Besonders leide sie mit den Kindern, die nun Waisen sind.
In ihrer Heimatgemeinde, der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Beit Jala engagiert sich Hiam Abu Dayeh daher in der Initiative „Abrahams Zelt“, einem Friedens- und Verständigungsprojekt, in dem Kinder aus den drei abrahamischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) nachmittags zusammenkommen und gemeinsam Hausaufgaben machen, spielen, malen und tanzen. Es ist eine Begegnungsstätte für Religionen und Völker. Aktuell kommen ca. 30 Kinder, die von 9 Lehrerinnen auf Taschengeldbasis betreut werden, berichtete sie. „Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft.“ Wer diese Arbeit unterstützen möchte kann dies per Spende an den Förderverein des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim e.V. tun: (BIC GENODEF1EK1, Evangelische Bank eG Kassel, IBAN DE75 5206 0410 0005 0460 50, Verwendungszweck: Abrahams Zelt).
Trotz aller Erfahrungen sagt Hiam Abu Dayeh: „Wir brauchen einander, wir müssen zusammen weitermachen.“ Deshalb setze sie sich für Verständigung ein. Sie ist überzeugt: „Palästinenser und Israelis können nur gemeinsam eine Lösung finden.“ Sie wünsche sich, dass beide Völker in Frieden und Gerechtigkeit miteinander leben könnten. Dafür bittet sie um Gottes Hilfe. „Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Der Glaube gibt mir immer wieder Kraft.“
Sehr lebhaft war das Gespräch im Anschluss an den Vortrag. Die Besucherinnen und Besucher wollten mehr zur Arbeit von Abrahams Zelt wissen oder auch zur Erwartung von Hiam Abu Dayeh an die christlichen Kirchen in Deutschland.
Viele nutzen schließlich noch die Möglichkeit Olivenholzschnitzereien aus der Region Bethlehem zu erwerben und damit die Menschen vor Ort zu unterstützen.