Mit dem Mitgliederrückgang der evangelischen Kirchen werden die finanziellen Ressourcen knapper. Hinzu kommt ein Mangel an Fachkräften. Das stellt auch die Kirchengemeinden in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) vor Herausforderungen. Kirche in der Region muss sich neu aufstellen. Der Prozess ekhn2030 - Licht und Luft zum Glauben - verfolgt das Ziel, notwendige Einsparungen umzusetzen und die Kirche fit für die Zukunft zu machen. Ein Überblick über den aktuellen Stand auf dem Gebiet des Evangelischen Dekanats Wetterau gibt Dekan Volkhard Guth:
Zusammenarbeit in Nachbarschaftsräumen
Die Evangelischen Kirchengemeinden im Evangelischen Dekanat Wetterau sind in einem massiven Veränderungsprozess. Dieser Veränderungsprozess betrifft alle Bereiche kirchlichen Lebens. Bereits heute schon arbeiten alle Kirchengemeinden offiziell in von der Kirche sogenannten Nachbarschaftsräumen zusammen. Aktuell sind sie dabei, sich auf eine Rechtsform festzulegen. Laut Kirchengesetz sind drei rechtliche Formen der Zusammenarbeit möglich: die gemeinsame Kirchengemeinde nach einem Zusammenschluss aller Kirchengemeinden im Nachbarschaftsraum (Fusion), die Gesamtkirchengemeinde (ein neuer Rechtsträger oberhalb der bisherigen Einzelkörperschaften) und die Arbeitsgemeinschaft mit einem geschäftsführenden Ausschuss.
Gebäude
Auch mit der Zukunft ihrer Gebäude beschäftigen sich die haupt- und ehrenamtlichen Kirchenvertreter*innen. So sind inzwischen alle Gebäude innerhalb eines Nachbarschaftsraums - nach ausführlichen Besichtigungen und der Bewertungen nach unterschiedlichen Kriterien - einer Kategorie zugeordnet. Somit ist klar, welche Gebäude weiterhin von der Landeskirche finanziell unterstützt werden und welche künftig von den Kirchengemeinden alleine finanziert werden müssen. Damit einher gehen Überlegungen zu alternativen Nutzungsformen von Gebäuden, die eine Finanzierung auch ohne gesamtkirchliche Zuschüsse sichern können. Es laufen bereits vereinzelt Gespräche mit potenziellen Kooperationspartnern oder Interessenten, die sich vorstellen können, die entsprechenden Gebäude zu übernehmen. Ein Beispiel ist die Umnutzung der Johanneskirche in Bad Nauheim.
Verkündigungsteams
Haupt- und Ehrenamtliche eines Nachbarschaftsraums üben sich immer stärker in der Teamarbeit, da ein Pfarrer oder eine Pfarrerin künftig nicht mehr nur für eine einzelne Gemeinde oder einen einzelnen Ort zuständig ist. Die Teams tragen jeweils gemeinsame Verantwortung für den ganzen Nachbarschaftsraum. Entsprechend verändern sich auch die Aufgabenbeschreibungen. Künftig sind sogenannte Verkündigungsteams, bestehend aus Pfarrpersonen, Gemeindepädagogen und Kirchenmusikern, gemeinsam für die Verkündigung zuständig und übernehmen unterschiedliche Aufgaben. Diese Aufgaben werden in Dienstordnungen festgehalten, deren Erarbeitung momentan läuft.
Die Personalplanung für die kommenden 5 Jahre hat die Synode bei ihrer Tagung im September 2024 beschlossen. Dieser Sollstellenplan umfasst alle Mitglieder der Verkündigungsteams, außerdem die Stellen in der Spezialseelsorge sowie die Fach- und Profilstellen, Dekan, Stellvertretung und Dekanatsjugendreferenten. Die Planung richtet sich dabei an Vorgaben zur Bemessung aus, die von der Kirchensynode beschlossen worden sind.
Verwaltung
Gemeindebüros sind Anlaufstellen für Gemeindeglieder und die Mitarbeiterinnen übernehmen wichtige Verwaltungsaufgaben. Statt mehrerer, einzelner Gemeindebüros an vielen Orten wird es künftig pro Nachbarschaftsraum ein gemeinsames Gemeindebüro geben, in dem ein Team aus Sekretärinnen zusammenarbeitet. An den Stellen, wo dies schon gelebt wird, erleben wir eine gesteigerte Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen. Klar geregelte Urlaubsvertretungen, deutlich längere Öffnungszeiten und bessere Erreichbarkeit, der Austausch mit den Kolleginnen – all das benennen die Gemeindesekretärinnen schon jetzt als Vorteile. Alle Mitarbeiterinnen, die das wollten, wurden ins neue Arbeitsmodell übernommen.
Ausblick
Bis Mitte 2025 werden alle strukturellen Veränderungen im Evangelischen Dekanat Wetterau beschlossen sein. Damit sind dann alle rechtlichen Rahmenbedingungen des Transformationsprozesses ekhn2030 erfüllt. Im Dekanat ist man sich einig: Strukturen haben eine dienende Funktion. Sie sind Zweck und Gegenstand des eigentlichen kirchlichen Auftrags. Sobald die neuen Rahmenbedingungen festliegen, muss es verstärkt um die inhaltlichen Themen gehen. Denn eine Kirche in der Region lebt vor allem vom gelebten Glauben. Die parallel gefeierten Tauffeste in den Regionen, Aktionen wie „Einfach heiraten“, bei denen Menschen eingeladen werden, Gottes gute Zusage für gelingendes Leben zu spüren, aber auch die Aktion Gottesdienst erleben, waren in diesem und dem vergangenen Jahr Mut machende Erfahrungen im Dekanat. Haupt- und Ehrenamtliche in den Nachbarschaftsräumen befassen sich nach den Strukturfragen also nun vor allem mit Überlegungen wie: Wie wollen wir gemeinsam Kirche in unserer Region sein? Welche Angebote soll es geben? Wo sollen diese stattfinden? Was wollen wir damit ausdrücken und was brauchen die Menschen in unserer Region? Wen wollen wir beteiligen oder einbinden? Wie und wie oft feiern wir Gottesdienste? Welche anderen Formate können wir schaffen? Dies ist ein großes Lern- und Experimentierfeld, in dem wir uns selbst vergewissern können und andere einladen wollen. Wenn Christus in der Welt ist und immer schon bei den Menschen ist, dann darf eine Kirche, die sich verändert darauf vertrauen, dass sie immer – ganz gleich in welcher Form und an welchem Ort – auf den Herrn der Kirche selbst treffen wird. Darum unterliegt jedes Transformationshandeln in diesem Sinne einer Verheißung für die Zukunft.