Nachdem zu Beginn Schlagzeilen aus Tages- und Online-Zeitungen vorgelesen wurden, betonten Joachim Neethen und Maren Bezold, beide Pfarrer der künftigen Evangelischen Friedensgemeinde Friedberg, in ihrer Begrüßung, dass man die unbequemen Themen und die Welt „da draußen“ am Reformationstag nicht einfach ausblenden könne.
Haltung zeigen in Initiativen, im Alltag und im Ehrenamt
Im Gottesdienst kamen Menschen zu Wort, die durch ihr Engagement Haltung zeigen. So sprachen Sabine und Yves Léonard darüber, warum sie als ehrenamtliche „Foodsaver“ Lebensmittel retten und verteilen, die sonst in der Tonne landen würden. Ihnen liegt die Nachhaltigkeit am Herzen. Außerdem möchten sie darauf aufmerksam machen, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten hat.
Dr. Werner Neumann, der sich beim BUND unter anderem für den Schutz der guten Böden in der Wetterau einsetzt, konnte nicht vor Ort sein, sein Statement wurde jedoch verlesen. Für ihn ist die Verantwortung für die Lebensgrundlagen, für Schöpfung und Natur eine zentrale Motivation, denn die Natur könne sich nicht selbst verteidigen.
Corinna Gutting aus Wölfersheim engagiert sich seit der Geburt ihrer ersten Enkelin bei den „Omas gegen Rechts“. Sie möchte ihren Enkeln ermöglichen in einer Welt aufzuwachsen in der Hautfarbe, Religion und sexuelle Orientierung keine Rolle spielen und mit ihrem Engagement Verantwortung für die zukünftigen Generationen übernehmen.
Ilona Böhm engagiert sich unter anderem bei der Antifa BI Friedberg. Ihr geht es um den Schutz der Verfassung und der Demokratie. Geleitet wird sie von ihrer christlichen Haltung aus der heraus sie sich für Frieden, Gerechtigkeit und ein liebevolles Miteinander einsetzt.
Die Wortbeiträge wurden eindrucksvoll unterstrichen von einem Musikstück der Dekanatskantorei, das Kantor Ulrich Seeger für den Gottesdienst komponiert hatte. Der Posaunenchor Butzbach unter Leitung von Kantor Uwe Krause begleitete den Gottesdienst ebenfalls musikalisch.
“Haltung zeigen kostet immer etwas”
„In einer Zeit, in der Meinungen lauter sind als Überzeugungen, ist es gar nicht so einfach Haltung zu zeigen“, betonte Dekan Volkhard Guth zu Beginn seiner Predigt. Haltung zeigen fordere heraus und koste etwas - manchmal Ansehen, manchmal sogar Freundschaften. Immer koste es Kraft.
Für Christen komme diese Kraft aus dem Wissen, ein geliebtes Kind Gottes und von ihm getragen zu sein. Man wolle den Reformationstag nicht als bloßen Rückblick in die Geschichte feiern, sondern als Einladung, die eigene Haltung zu prüfen und an Gott auszurichten.
Das Wort des Propheten Micha fasst zusammen, was Gott bei den Menschen sucht: „Es wurde dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott bei dir sucht: nichts anderes als Recht üben, Freundlichkeit lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.“ Das bedeute gerecht zu handeln und dabei selbstkritisch mit dem eigenem Lebensstil umzugehen; Mitmenschen zu achten und für sie einzustehen; und sich von einem mitgehenden Gott führen lassen.
„Haltung zeigen beginnt da, wo innere Überzeugung dem äußeren Druck widersteht.“ Das verdeutlichte Guth am Beispiel der Abgeordneten Antje Tillmann (CDU), die im Januar im Bundestag als einzige ihrer Fraktion bei einer Abstimmung dagegen stimmte, da sie eine gemeinsame Mehrheit mit der AfD ablehnte.
Guth nannte weitere Beispiele von Menschen, die Haltung gezeigt haben, Rahab im Alten Testament, Reformator Martin Luther oder die evangelische Theologin Dorothee Sölle, die Guth mit den Worten: „Christ sein heißt aus der Ohnmacht herauszutreten und sich der Verantwortung zu stellen“, zitierte.
„Jesus kostete seine Haltung das Leben und gleichzeitig hat sie Leben gebracht. Ihm nachzufolgen heißt nicht einfach mitzulaufen, sondern aufzustehen, wo Unrecht geschieht.“ Wer sich von Gott getragen wisse, der könne Haltung zeigen ohne dabei zu verhärten.
„Haltung zeigen heißt Ja zu sagen zu Menschlichkeit, zum Frieden und zur Wahrhaftigkeit. Und es heißt zugleich auch, Nein zu sagen zu Ungerechtigkeit, zu Lügen, Gewalt und Diffamierung. Diese Spannung auszuhalten ist manchmal nicht einfach, aber in ihr liegt der Raum, in dem sich unser Glaube als lebendig erweist und bewährt.“
Austausch im Anschluss
Die anschließenden Fürbitten, bei denen auch Pfarrer Siegfried Nickel, Referent für Ökumene und Dialog im Dekanat, sowie Öffentlichkeitsreferentin Anna-Luisa Hortien mitwirkten, fassten die Anliegen des Gottesdienstes noch einmal zusammen.
Bei Wein und nicht alkoholischen Getränken kamen die Besucherinnen und Besucher im Anschluss an den Gottesdienst noch einmal ganz persönlich über das Thema ins Gespräch.