Zuvor hatte Pfarrer Jörg Wiegand in seiner Predigt Gedanken zu drei wichtigen Grundbegriffen des Grundgesetzes geteilt. Der Gottesdienst mit anschließendem Impuls der Bundesinnenministerin widmete sich dem 75-jährigen Geburtstag des Grundgesetztes in diesem Jahr.
Am Buß- und Bettag gehe es darum, so Pfarrer Wiegand, über eigenes Verhalten nachzudenken. Wo haben wir versäumt, richtig zu handeln? Wo ist Umkehr notwendig? Vertreten wir die im Grundgesetz verankerten Werte glaubhaft und setzen sie um?
Christliche Perspektive auf 3 Grundsatzartikel
Ein zentraler Wert sei die unantastbare Würde eines jeden Menschen. Im christlichen Glauben unterstreiche die Gottesebenbildlichkeit des Menschen diese Würde. „Wir sind alle aufgefordert, das zu leben.“ Er fordert daher dazu auf, dort aktiv zu werden, wo die Würde bedroht sei - etwa in Asylverfahren, durch Altersarmut oder in der Pflege.
Ein weiteres Grundrecht, das Wiegand hervorhob, ist die Meinungs- und Religionsfreiheit. Dieses Recht, das einst gegen Widerstände, auch der Kirchen, erkämpft wurde, sei nicht selbstverständlich. Gerade Christen sollten es als Auftrag verstehen, auch das Recht Andersgläubiger auf Ausübung ihrer Religion in unserem Land zu verteidigen. Gleichzeitig betont er die Wichtigkeit, sich mit fundamentalistischen Strömungen auseinanderzusetzen. Aufklärung, etwa im Religionsunterricht, sei dazu zentral.
Das Eigentum sei im Grundgesetz geschützt, aber: Eigentum verpflichte. „Wer besitzt ist mitverantwortlich für die, die notleiden.“ Solidarität aller mit den Schwächeren werde zur Pflicht erklärt, die jedoch immer mehr an Bedeutung verliere. Diese Solidarität, die auch für Christen zentral sei, gelte es angesichts von Wohnungsnot und wachsender sozialer Ungleichheit wieder in den Fokus rücken.
Am Ende seiner Predigt appelliert Wiegand, den selbstkritischen, umkehrbereiten Blick des Buß- und Bettags nicht zu verlieren.
Faeser: Demokratie hat keinen leichten Stand
Nancy Faeser bedankte sich zu Beginn ihres Impulses für die Einladung und die Gelegenheit zu dem Thema zu sprechen. Die Demokratie habe aktuell keinen leichten Stand. Umso wichtiger sei es, sie für die nächsten Generationen zu bewahren, trotz aller aktuellen Herausforderungen. Die Gesellschaft stehe unter enormem Veränderungsdruck. Komplexe politische Probleme nährten die Sehnsucht nach einfachen Antworten.
Wo das Vertrauen in die Regierung bröckele, stärke das die Feinde der Demokratie. Hier nannte die Ministerin vor allem populistische und extremistische Gruppierungen sowie das Wiedererstarken des Antisemitismus. „Für Menschenfeindlichkeit gibt es keine Rechtfertigung“, machte sie deutlich. Man müsse noch viel stärker zeigen, dass man das nicht dulde. „Die Radikalisierung reicht inzwischen bis in die Mitte der Gesellschaft, darauf brauchen wir Antworten.“ Der Rechtsextremismus sei aus ihrer Sicht die höchste Bedrohung für die Demokratie, weil er die bestehende Rechtsform überwinden wolle.
Manipulationsversuche und Umgang mit Meinungsfreiheit
Nancy Faeser nannte aber auch Manipulationsversuche durch Desinformation und Propaganda. Hier verwies sie auf den Plan gegen Desinformation und die Schaffung einer Früherkennungseinheit für ausländische Manipulation und Einflusskampagnen. „Es gibt Grenzen dessen, was man sagen darf, das haben wir in der Vergangenheit zu wenig deutlich gemacht. Es geht nicht darum, die Meinungsfreiheit einzuschränken, aber das Grundgesetz gibt Grenzen vor“, machte sie auf Nachfrage von Dekan Volkhard Guth im anschließenden Podiumsgespräch deutlich.
All diesen Bedrohungen müsse man entschieden entgegentreten. Wichtig sei es, die Demokratie von innen zu stärken, durch politische Bildung und Prävention. „Wir alle sind gefordert, unser Zusammenleben in Freiheit und Sicherheit aktiv zu verteidigen.“
Faeser: Sport fördert Austausch
Dazu brauche es auch Austausch und Begegnung, wie im Gespräch mit Dekan Guth klar wurde. Auch die Evangelische Kirche biete immer wieder Räume zum Diskurs an, so der Dekan. Nancy Faeser betonte, sie setze sich für die Förderung des ehrenamtlichen Engagements ein und mache den Sport stark, weil beides Menschen über alle Grenzen hinweg verbinde. „In Deutschland haben wir 29 Millionen ehrenamtlich Engagierte.“ Diese positiven Beispiele fehlten in öffentlichen Debatten, so die Ministerin. Zu oft werde Trennendes in den Vordergrund gestellt.
Des Weiteren sei für sie die kommunale Ebene sehr wichtig für einen starken Zusammenhalt. Ihr liege deshalb viel an dem Austausch mit Kommunalpolitikern und deren Erfahrungen vor Ort. Das mache die neu gegründete Allianz für Kommunalpolitik deutlich. Kommunale Mandatsträger seien oft Hass, Wut und sogar Gewalt ausgesetzt. Es gelte sie zu schützen und zu unterstützen. Unter anderem deshalb habe sie die „starke Stelle“ beim deutschen Forum für Kriminalprävention eingerichtet. „Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit man das Ehrenamt noch gut ausüben kann und es weiterhin Menschen gibt, die sich engagieren.“
Das Gespräch vertiefte weiterhin Fragen zur Wahlbeteiligung, sozialer Gerechtigkeit und Bildungspolitik. Auf die Frage des Dekans, was sie sich für die Zukunft der Demokratie wünsche, antwortete die Ministerin: „Ich wünsche mir, dass die nächste Generation wieder in Frieden leben kann; dass wir wieder einen zugewandten Umgang miteinander finden und Nächstenliebe, Verständnis und Respekt leben.“