In diesen Tagen jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Dieser Tag bedeutete das Ende von Zerstörung, Gewalt, Angst und Schrecken. Und er bedeutete das Ende des Naziregimes in Deutschland und die Rückkehr zu Demokratie und Menschenrechten. Daran möchte ich sehr bewusst in diesen Tagen erinnern. Demokratie und Menschenrechte sind der Boden auf dem wir stehen. Und er hat unsere Vorväter und -mütter Vieles gekostet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Menschheitsfamilie davon überzeugt, dass es klar ist, was gut ist. Die Gräuel des Krieges mit 60 Millionen Toten, der Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden, Sinti, Roma und anderen Minderheiten, Flucht und Zerstörung hatten unübersehbar vor Augen gestellt, was passiert, wenn Menschen nicht mehr menschlich miteinander umgehen. Doch seit 1945 gab es mehr als 200 Kriege. Und täglich sehen wir das Grauen des Kriegs in der Ukraine und im Gaza. Offenbar geht die Klarheit, was gut ist, auch wieder verloren.
Der Prophet Micha im ersten Testament der Bibel ruft seinen Zeitgenossen einmal zu: „Der Herr fordert von dir nichts als Recht und Gerechtigkeit tun und Güte lieben und besonnen gehen mit deinem Gott.“ Das gilt bis heute. Gegen das Vergessen hilft das Erinnern. Erinnern muss uns mahnen, nicht Wolf unter Wölfen, sondern Mensch unter Menschen zu sein. Darin liegt die Möglichkeit für Frieden. Die Aufgabe für das Fortbestehen der Menschheit lautet nicht, kriegstüchtig zu werden, sondern friedensfähig zu sein – dem Mensch ein Mensch zu werden.