Vor einigen Jahren bekam ich eine kleine Schachtel geschenkt. Es handelte sich um ein Ringschächtelchen wie es Juweliere als Verpackung benutzen. Unter einem breiten zerkratzten Streifen ist zu lesen:
„Uhren, Juwelen,
Gold und Silberwaren
Butzbach“
Ich bekam dieses Schächtelchen von einer älteren Butzbacherin. Eine Erinnerung an das Juweliergeschäft des jüdischen Kaufmanns Hermann Löb in der Griedeler Straße.
Interessiert fragte ich, auf die Abschabungen deutend: „Und was ist das?“
„Da stand ‚Herman Löb‘, das haben wir aus Angst weggekratzt.“ Man merkte: Stolz war sie darauf nicht.
Ich kann mich, wenn ich diese Geschichte höre, in die Menschen und die Zeit von damals ein wenig hineinversetzen. Mir wird klar: Angst hat viele Menschen bestimmt. Wie wäre ich mit der Angst umgegangen?
Ich glaube, ich wäre kein Held gewesen, der sich schützend vor die jüdischen Mitbürger geworfen hätte.
Ich glaube, ich hätte auch Dinge getan oder gelassen, auf die ich heute nicht stolz wäre.
Das alles ist keine Entschuldigung oder Rechtfertigung. Es ist eine Mahnung, die an jedem 9. November neu erklingen muss.
Eine Mahnung, dass wir alles daransetzen müssen, zu verhindern, dass Menschen wieder von solcher Angst bestimmt werden.
Wenn heute Todesdrohungen PolitikerInnen, JournalistInnen oder Andersdenkende einzuschüchtern versuchen, müssen wir dieser Angstmache entgegentreten.
Darum müssen wir an das Grauen, das geschah, erinnern. Das geschehen konnte, weil allzu viele sich von Angst bestimmen ließen. Nie wieder ist jetzt.