Kurz bevor zum Erntedank Obst und Gemüse in den Kirchen ausgebreitet werden, hatte im September die Sonne noch einmal für die Reife der Früchte gesorgt. Auch meine Pflanzen auf der Terrasse des Pfarrhauses zeigen sich in spätsommerlicher Blütenpracht. Wunder der Schöpfung, direkt vor der Haustür, die etwas vom Wirken Gottes zeigen. Bereits das Alte Testament ist voll von Beschreibungen aus der Natur, die uns einen Hinweis der Größe und Gottes geben wollen. Auch Jesus wird in seiner Verkündigung immer wieder Bilder von Pflanzen und Tieren aufgreifen, um die Beziehung zwischen Gott und den Menschen zum Ausdruck zu bringen. Die Vögel des Himmels und die Lilien auf dem Feld sind nur zwei solcher Bilder. Sie beschreiben die Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe. In einer Ecke meiner Terrasse hatte ein kleines Tier ein Wunderwerk geschaffen: Eine Spinne hat ein kunstvolles Netz geknüpft, in dessen Mitte sie nun sitzt. In ihrem Gartenstuhl genießt meine Mutter die Sonne. Ich mache sie auf das Spinnennetz aufmerksam. Leider stellen wir beide fest, dass das kleine Spinnentier einen Konstruktionsfehler gemacht hat: einer der Hauptfäden ist am Fensterladen befestigt. Das Netz wird also unwiederbringlich zerstört, wenn die Läden geschlossen werden. Scherzhaft sage ich zu meiner Mutter: „Naja, sie hat ja dann aber die ganze Nacht Zeit, ein neues Netz zu bauen!“ Meine Mutter lacht.
Am nächsten Morgen beim Betreten der Terrasse stelle ich fest, dass ich Recht hatte: Am Fensterladen ist kein Spinnennetz mehr. Aber die Spinne hat tatsächlich neu gebaut. Und das neue Netz ist noch abenteuerlicher als das erste. Ein meterlanger Faden spannt sich vom Gebälk der Pergola zum Gartenstuhl, die anderen Haltefäden sind ähnlich gewagt befestigt. Das Netz mit der Spinne im Zentrum scheint frei in der Luft zu schweben und bewegt sich sanft im Wind. Auch diesem fragilen Kunstwerk wird wohl keine lange Lebensdauer beschieden sein. Aber sicher wird die Spinne wieder von vorn beginnen.
Bei diesem Bild frage ich mich: „Wie oft wurde das, was ich mühevoll geplant und gebaut hatte, von einem Augenblick zum nächsten zerstört?“ Auch in meinem Leben gab es schon Momente, wo alles nutzlos und vergeblich schien. Nicht mutlos stehen zu bleiben, sondern mit Zuversicht und neuer Kraft weiter zu bauen, ist der Auftrag, den Gott uns im Leben gegeben hat. Dazu sagt er uns seine Kraft und seine Begleitung zu, dazu will er uns immer wieder neu ermutigen.