Sonntagswort: Zeitverschwendung?

Pfarrer Christoph Baumann, Evangelische Markus-Kirchengemeinde Butzbach, schreibt einen Impus zum Thema Beten.

Ich gab neulich eine Einführung ins sogenannte Gebet der Sammlung. Bei einem Teilnehmer spürte ich eine starke Unruhe. Ich stellte mir seine Gedanken vor: „Das ist doch Zeitverschwendung; da könnte man doch sinnvolleres tun, die Zeit besser nutzen…“ Hat er Recht? Im Allgemeinen wird unter Beten ein Reden mit Gott verstanden. Und in dieser Kommunikation geht es häufig darum, etwas von Gott zu erbitten. Jesus lobt etwa das penetrante Fordern in der Geschichte von der bittenden Witwe als Vorbild für das Gebet (Lukas 18,1-8). Da ist das Gebet direkt, ergebnisorientiert. Neben diesem weit verbreiteten Verständnis von Gebet gibt es auf der anderen Seite des Spektrums aber auch das Gebet ohne Worte. Das „Gebet der Sammlung“ ist hier verortet. Im Kern geht es darum, einfach in Gottes Gegenwart zu sein, in Gottes Gegenwart zu ruhen – ohne etwas zu tun, selbst ohne innerlich zu beten oder zu denken. Die einzige Maßgabe ist, beim Abschweifen in Gedanken und Gefühle von diesen immer wieder abzulassen.  Vielen Menschen erschließt sich nur schwer, warum still sein und nichts tun gut, sinnvoll oder gar wichtig sein kann. Man fühlt sich dabei so leicht unproduktiv. Aber genau das ist der springende Punkt. Ein oder zweimal am Tag, für die Zeit des (stillen) Gebets von mir absehen, mich und meine Gedanken, Gefühle, meine Anliegen – auch wenn sie noch so richtig und wichtig sein mögen – loszulassen. Einmal nicht um mich selbst kreisen, sondern vertrauen, dass Gottes Geist wirkt, auch in mir und durch mich.   Dann kann ich erfahren, dass das Gebet Ruhe, Gelassenheit, Perspektive, Orientierung und einen Fokus ins Leben bringt. Es ist vergleichbar mit der Zeit, die man sich nimmt zum Schärfen einer Axt - anstatt ununterbrochen mit der stumpfen Axt weiter zu hacken, mit der Begründung man habe keine Zeit.