Sonntagswort zu Weihnachten: ...ganz sentimental!

Pfarrer Dr. Klaus Neumeier, Ev. Christuskirchengemeinde Bad Vilbel, schreibt einen Impuls zum Heiligen Abend.

„Wenn die Kerzen am Baum brennen, dann wird‘ ich immer ganz sentimental…“ – und ich sehe ihr an, wie ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen; Kindheitserinnerungen vielleicht, Bilder von früher, ein Stück heile Welt? War denn früher mehr „heile Welt“? Nein, vermutlich nicht, aber tatsächlich sind in der Erinnerung vor allem die Bilder von Geborgenheit und guten Zeiten, nicht nur, aber vor allem. Vielleicht muss gerade deswegen auch gerade am Heiligen Abend „alles so wie früher“ sein. Vielleicht brauchen wir diese Sicherheit gerade in unsicheren Zeiten – und seit jeher war und ist die Gegenwart immer unsicher, eben weil die Zukunft mit all ihrer Offenheit vor uns liegt. Da sind feste Bräuche ein sicherer Hafen, der uns gut tut. Weihnachten ist so ein „sicherer Hafen“. Die oft so schlimmen Nachrichten der fernen und manchmal auch der nahen Welt stehen heute im Hintergrund. Heute ist der Tag der „frohen Botschaft“: „euch ist heute der Heiland geboren…“ Davon singen die Engel und geben diese gute Nachricht in die Welt. Die Niedrigkeit des Stalls, die einfache Frau Maria mit den ebenso einfachen Hirten, Gott im ganz irdischen, normalen Baby. Kein Palast, kein Glanz und Gloria – obwohl: Gloria schon, das himmlische Gloria der Engel. „Ach, da werd‘ ich ganz sentimental…“ Weihnachten ist der Gegenpunkt zur Nüchternheit und Rationalität unserer Welt. Wir brauchen diesen Gegenpunkt und halten uns an ihm fest. Wir sind mehr als unser Verstand, auch wenn wir uns noch so viel auf ihn einbilden. Wir erkennen die Welt und ihre Wirklichkeit viel mehr mit dem Herzen als mit unserem Verstand. Das gilt immer, das gilt aber besonders an Weihnachten. Die weihnachtliche Liebe und Geborgenheit tun uns gut. Wir brauchen sie. Mehr denn je. Wir brauchen sie als Insel, auf der wir kurz verweilen dürfen, bevor wir dann wieder mit viel Verstand und hoffentlich Weisheit uns der Welt zuwenden. Weihnachten: Die Sehnsucht nach der heilen Welt, nach der anderen Wirklichkeit. Sie leuchtet kurz auf. Es tut uns gut – und das darf es auch. Und wenn wir dann – ganz sentimental – uns zurücksehnen nach vergangener heiler Welt und hineinsehnen in eine kommende heile Welt Gottes, dann ist das sehr okay. Vielleicht täte uns ja sogar in der nüchternen Alltagswelt ein bisschen mehr Sentimentalität gut. Und Liebe. Und Sehnsucht nach heilerer Welt… Mit diesen Gedanken zum Christfest wünsche ich Ihnen gesegnete Weihnachten!