„Spiritualität tut Gemeinschaft gut“: Erster Impuls- und Begegnungstag „Spirituelle Kirche 2030“

Hortien

Am 2. Oktober waren alle Interessierten zum Impuls- und Begegnungstag "Spirituelle Kirche 2030" der EKHN ins Geistliche Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel eingeladen.

Der Transformationsprozess der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist in vollem Gange. Neben den strukturellen Veränderungen braucht es dabei auch eine Weiterentwicklung der kirchlichen Arbeit. „Wie kann Gottes heilsame Gegenwart erfahren werden in unserer gemeinsamen Suche nach einer neuen Gestalt von Kirche?“ Mit diesem Gedanken begrüßte Thomas C. Müller vom Zentrum Verkündigung die Teilnehmenden am ersten Impuls- und Begegnungstag „Spirituelle Kirche 2030“ in Nieder-Weisel. Der Tag war eine Kooperationsveranstaltung zwischen dem Zentrum Verkündigung der EKHN und dem Geistlichen Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel im Dekanat Wetterau.

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Der Tag entstand aus der Rückmeldung vieler Engagierter, dass die geistliche Perspektive im Transformationsprozess derzeit zu wenig präsent sei. Rund 160 Haupt- und Ehrenamtliche aus der gesamten EKHN nutzten den Tag um sich geistlich zu stärken, sich auszutauschen und Anregungen und Impulse zu Spiritualität und Geistlicher Weggemeinschaft mitzunehmen. „Um die großen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft in fruchtbarer Weise zu gestalten gilt es, sich immer wieder mit den Quellen unseres Glaubens zu verbinden und die Schätze der christlichen Spiritualität wiederzuentdecken“, sagte Johannes Misterek, Pfarrer am Geistlichen Zentrum Nieder-Weisel.

Bibelteilen in 7 Schritten

So begann der Tag nach der Morgenandacht auch gleich mit einer praktischen Übung: In kleinen Gruppen wurden die Teilnehmenden zum „Bibelteilen“ angeleitet. Das Bibelteilen in 7 Schritten ist eine einfache Methode über einen Bibeltext ins Gespräch zu kommen. Es geht vor allem um den persönlichen Zugang und die Resonanz, die der Text bei jedem Einzelnen auslöst. Das gegenseitige Zuhören ohne Wertung und Kommentare ist dabei besonders wertvoll.

Christina Brudereck referiert zum Thema Gemeinschaft

„Spiritualität tut Gemeinschaft gut. Gemeinschaft tut Spiritualität gut.“ Mit diesen Worten eröffnete Christina Brudereck ihren Impulsvortrag zur Bedeutung der Gemeinschaft für die Spiritualität. Die Theologin und Autorin aus Essen lebt selbst seit vielen Jahren in einer Kommunität mit sechs Erwachsenen und fünf Kindern und ist darüber hinaus in vielen Gemeinschaften verwurzelt. Sie teilte viele persönliche Einblicke in ihr Leben, ihre Spiritualität und ihren Glauben.

So machte die Referentin darauf aufmerksam, dass es mehr „Erzählräume“ brauche, in denen Menschen ihre Geschichten teilen können und sich gegenseitig zuhören. Dabei sei es wichtig, auch mir fremde Stimmen und Perspektiven zu hören, immer wieder Unterschiede und Ähnlichkeiten zu entdecken. Denn Diversität tue Gemeinschaft gut. „Wir zeigen, dass Menschen zählen, wenn wir sie erzählen lassen“, so Brudereck. Dazu könnten auch geeignete Formate in Gemeinden geschaffen werden – Kirche als Anlaufstelle, Kraftort und Raum zum Gespräch.

Podiumsgespräch „Geistlich leiten, geistlich leben, geistlich üben“

Wie sie es mit ihrer persönlichen Spiritualität halten erzählten nach dem Mittagessen vier Podiumsgäste unter Moderation von Journalistin Sabine Langenbach. Zum Podiumsgespräch unter dem Titel „Geistlich leiten, geistlich leben, geistlich üben“ waren Pröpstin Dr. Anke Spory, Dekan Volkhard Guth, Pfarrerin Lydia Katzenberger und Kirchenvorsteher Christoph Diemerling eingeladen.

Kern des geistlichen Leitens, so der Bad Vilbeler Kirchenvorsteher Diemerling, sei es, sich auch in oder nach mitunter hitzigen Kirchenvorstandssitzungen immer wieder des „Warums“ bewusst zu werden. „Wir haben bei allen Meinungsverschiedenheiten doch eine gemeinsame Vision, uns eint ein Glaube.“ Die oberhessische Pröpstin Dr. Anke Spory ergänzte: „Geistliche Leitung zeichnet für mich aus, sich immer wieder rückzubinden an die Botschaft der Bibel.“ Für Lydia Katzenberger, die zuletzt ein Jahr lang mit den Oberzeller Franziskanerinnen unterwegs war, kann nur geistlich leiten, wer auch eine eigene geistliche Praxis pflegt. Und Volkhard Guth, Dekan des Evangelischen Dekanats Wetterau, das gemeinsam mit den Johannitern Träger des Geistlichen Zentrums in Nieder-Weisel ist, ergänzte: „Ein hörendes Herz ist Grundvoraussetzung für geistliches Leiten.“

Nachmittags vielfältiges Workshop-Angebot

Am Nachmittag stand dann die Praxis im Mittelpunkt: Das Workshop-Angebot umfasste zehn unterschiedliche Themen, die die persönliche Spiritualität aber auch die Spiritualität in kirchlichen Prozessen beleuchteten.

Im Meditationsraum konnten Teilnehmende mit Pfarrerin Ursula Wendt die Methode des Herzensgebets ausprobieren, bei dem die Verbindung von innerem Wort und Atem Raum für heilsame Verwandlung eröffnen kann. Bei Pfarrerin Heinke Willms meditierten die Teilnehmenden mit allen Sinnen. Schreiben als Selbstausdruck und geistliche Praxis konnten die Teilnehmenden im Workshop bei Pröpstin Dr. Anke Spory ausprobieren. „Pilgern ist Beten mit dem ganzen Körper“: Das konnten Teilnehmende beim Pilger-Workshop mit Pfarrerin Cornelia Hankel und Pfarrer Siegfried Nickel erfahren.

Pfarrer Jürgen Schweitzer stellte das Format der Oasen- bzw. Einkehrtage als kleine Auszeiten zur Besinnung und Neuausrichtung vor, Pfarrer Johannes Misterek und Pfarrer i.R. Matthias Gärtner die Exerzitien im Alltag als spirituellen Übungsweg über mehrere Wochen. Pfarrerin Tanja Brinkhaus-Bauer erläuterte alternative und kurze Gottesdienstformate für den Nachbarschaftrsraum, wie den „10-vor-7-GOTTKONTAKT“, der auch ohne hauptamtliche Unterstützung gefeiert werden kann.

Wie passt Spiritualität ins Klassenzimmer? Diese Frage erörterte Dr. Jochen Walldorf in seinem Workshop. Pfarrer Sven Rathmann berichtete, wie der Prozess des Zusammenwachsens im Nachbarschaftsraum Bad Vilbel durch spirituelle Begleitung unterstützt werden konnte. Pfarrer Thomas C. Müller vermittelte praxisnahe Impulse zur Gremienspiritualität. Der Workshop zeigte auf, wie der Heilige Geist in Diskussionen und Entscheidungsprozessen spürbar gemacht werden kann.

Gelungener Rahmen

Anfangs- und Abschlussandachten in der Komturkirche, die selbst von vielen Besuchern als spiritueller Kraftort empfunden wird, gaben dem Tag den passenden Rahmen. Manuel Schienke, Referat Popularmusik im Zentrum Verkündigung der EKHN, begleitete den Tag musikalisch. Für die Vorbereitung und Durchführung waren Pfarrerin Heinke Willms, Haus der Stille Kloster Gnadenthal, Pfarrer Thomas C. Müller, Referent Geistliches Leben im Zentrum Verkündigung der EKHN, Johannes Misterek, Pfarrer am Geistlichen Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel und Pfarrer Jürgen Schweitzer, Bildungsarbeit im Evangelischen Dekanat Rheingau-Taunus, verantwortlich.

Positives Feedback & Fortsetzung

„Solche Tage braucht ekhn20230“, lautete das Feedback einer Teilnehmerin. „Ich bin sehr froh, dass ich mich hier angemeldet habe“, findet ein anderer. „Und es tut gut zu spüren, dass man ‚Verbündete‘ hat.“ Eine Fortsetzung der Veranstaltung für 2025 ist bereits geplant: Am 2. Oktober 2025 erneut im Geistlichen Zentrum Nieder-Weisel.