Dekanat Wetterau

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          Geistliches Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel

          Podiumsdiskussion gibt Einblicke in jüdischen Alltag

          HortienViele Zuhörer waren gekommen, um Musik und Podiumsgästen zu lauschen.

          Begegnungen mit Menschen jüdischer Herkunft sind nicht alltäglich, obwohl wir in Deutschland in einer bunten und diversen Gesellschaft leben. Jüdisches Leben ist wenig sichtbar. Deshalb haben die Johanniter, das Evangelische Dekanat Wetterau und der Fachdienst Frauen und Chancengleichheit des Wetteraukreises am Dienstag zu einem Gesprächsabend im Geistlichen Zentrum der Johanniter Nieder-Weisel eingeladen, bei dem Musik und Menschen jüdischer Herkunft im Mittelpunkt standen.

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          Auf dem Podium stellten sich Sarah, Leah und Daniel unter Moderation von Claudia Taphorn (Wetteraukreis) den Fragen des Publikums. Sie erzählten aus ihrem Alltag, gaben Einblicke in jüdische Traditionen und ihre eigene Biografie. Sarah und Daniel arbeiten am Projekt „Meet a Jew“ mit und besuchen immer wieder Schulklassen. Leah Frey-Rabine ist jüdische Kantorin und lebt seit vielen Jahren in der Wetterau.

          Wie leben jüdische Menschen in Deutschland heute? Sarah ist Vorsitzende einer kleinen jüdischen Gemeinde in Nordhessen. Als Mutter und „Familienmanagerin“ plant sie den Alltag rund um die jüdischen Feiertage. „In vielen Dingen unterscheidet sich unser Alltag nicht von dem, anderer Menschen“, sagt Sarah. „Aber, wenn wir in die Synagoge gehen, steht ein Polizeiauto davor.“ Das jüdische (Gemeinde-)Leben finde nur unter strengen Sicherheitsauflagen statt. Antisemitismus erlebten schon die Kleinsten in der Schule. „Sobald ich diesen Raum hier verlasse, setze ich meine Kippa wieder ab“, erzählt sie, „denn ich will sicher Zuhause bei meinen Kindern ankommen.“ Trotzdem sieht sie sich nicht als Opfer. „Ich werde dafür kämpfen, dass es auch weitere 1700 Jahre und mehr jüdisches Leben in Deutschland gibt.“

          Das ist einer der Gründe, warum die drei auf dem Podium sitzen. Sie möchten Berührungsängste und Vorurteile abbauen, lebendige Begegnungen ermöglichen. „Es ist wichtig miteinander, statt übereinander zu reden“, betont Leah. Das war auch die Motivation der Veranstalter, wie Pfarrer Siegfried Nickel (Evangelisches Dekanat) und Landrat Jan Weckler betonten: „Jüdisches Leben ist fest in unserer Gesellschaft verankert, gleichzeitig wird es bedroht. Dem müssen wir uns als Gesellschaft, wie als Christen entschieden entgegen stellen.“ Johannes Perlitt, Kommendator der hess. Genossenschaft des Johanniterordens, begrüßte die Anwesenden im Geistlichen Zentrum und stellte die besondere Verbindung des Johanniterordens mit Jerusalem heraus. In Nieder-Weisel selbst bestand bis 1939/40 eine jüdische Gemeinde.

          Schnell wird klar: „Jüdisch sein“ definiert sich nicht nur über die Religion. Es gehe vor allem um Zugehörigkeit, um kulturelle Prägungen und Traditionen – und um das Erinnern an die Tausendjährige Geschichte, erklärt Leah. „Man ist Jude, auch wenn man nicht glaubt“, fasst Daniel zusammen. Für die Podiumsgäste ist es wichtig, ihre jüdische Identität zu bewahren und weiterzugeben. „Nur so konnten wir Tausende Jahre überleben“, betont Leah. Das jüdische Glaubensverständnis sieht allerdings keine Mission vor. Die jüdische Herkunft wird über die Mutter an das Kind weitergegeben.

          Zwischen den Gesprächen lauschten die rund 120 Gäste mitreißender Klaviermusik. Tereza Bodnárová und Sibylle Wolf bereicherten den Abend mit unterschiedlichsten Werken jüdischstämmiger Komponisten. Die Auswahl spiegelte die Vielfalt jüdischen Lebens wider und ergänzte die Wortbeiträge ideal. Die Biografien der Komponisten sind durchweg geprägt von Erfahrungen mit Antisemitismus, Flucht und Vertreibung, von verwehrten Chancen aufgrund der eigenen Herkunft.

          Eindrucksvoll ließ das Duo, meist vierhändig, ruhige leichte, wie kräftige und dunkle Töne erklingen. Mal romantisch, mal spielerisch, mal ganz getragen zeigten sie ein perfektes Zusammenspiel. Das Repertoire reichte von den Geschwistern Felix und Fanny Mendelssohn (später Hensel) über Friedrich Gernsheim, Arnold Schönberg und Erwin Schulhoff bis zu György Ligeti und Ruth Schontal.

          Auf dem Podium und auch danach beantworteten Sarah, Leah und Daniel offen und ehrlich Fragen aus dem Publikum: Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen christlichem und jüdischem Glauben? Wie gestaltet sich die internationale Gemeinschaft und was hat es mit Tikkun Olam auf sich? Sie erzählten von den Unterschieden zwischen den liberalen und orthodoxen Gemeinden, von der Rolle der Frau und der Bedeutung der Tora und sorgten damit für das eine oder andere Aha-Erlebnis im Publikum. Sarah und Daniel betonen, dass Deutschland ihre Heimat ist und sie sich als Deutsche fühlen. Leah hat als gebürtige Amerikanerin eine Heimat an vielen Orten, sagt sie.

          Der Abend endete mit einem gemeinsamen Friedensgebet und dem Fazit: Es gibt ein lebendiges jüdisches Leben in Deutschland - auch oder gerade heute!

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