Das Puppennachthemd

Dieses Nachthemd gehört meiner Babypuppe. Mein Vater hat sie mir aus Ungarn geschickt. Er war dort als Soldat im Krieg und ist nicht heimgekehrt. Ich habe leider keine persönlichen Erinnerungen an ihn. Den Krieg habe ich in Magdeburg erlebt. Magdeburg ist stark bombardiert worden. Bei Alarm mussten wir in den Luftschutzkeller. Ich bin niemals ohne meine Puppe gegangen und meine Puppe niemals ohne dieses Nachthemd.Wenn die Sirenen heulten, habe ich immer erst meiner Puppe das Nachthemd angezogen und erst dann, wenn auch die beiden Knöpfe geschlossen waren, wollte ich in den Keller gehen. Meine Mutter wurde oft sehr nervös, wie man sich vorstellen kann,  aber sie hat gewartet, bis ich fertig war.

Als eine Bombe im Sandkasten einschlug, dort wo wir als Kinder immer spielten, sagte meine Mutter: „Wir müssen raus aus der Stadt.“ So sind wir 20 Kilometer  über Land zu meiner Großmutter gelaufen. Unsere Habseligkeiten wollte meine Mutter später nachholen. Am nächsten Tag zerstörte eine Bombe unser Haus - als einziges in der Straße. Auch der Luftschutzkeller brach in sich zusammen und alle Menschen darin starben. Meine Mutter ist losgegangen fand nur noch Trümmer. Und dann - unter Schutt und Asche blinkt diese Kelle hervor. Die kleine Suppenkelle mit ihren Initialen. Es waren wohl Schutzengel, die uns vor den Bomben gerettet haben.

(aus Friedberg)

Hier sehen Sie das Rollup aus der Ausstellung